„Eine Stadt mach mit“
Frankfurt und der NS
Das Historische Museum Frankfurt zeigte vom 9. Dezember 2021 bis 11. September 2022 unter dem Titel „Eine Stadt macht mit“ die erste umfassende Ausstellung zum Nationalsozialismus in Frankfurt. Sie setzte sich auf 900 Quadratmetern nicht nur mit den zwölf braunen Jahren, sondern auch mit deren Vorgeschichte und Nachwirkungen bis in die Gegenwart auseinander. Ein Fachbeirat und zivilgesellschaftliche Initiativen begleiteten die Entstehung der Ausstellung kritisch-konstruktiv.
Jutta Zwilling von zeitsprung gehörte zum fünfköpfigen Team interner und externer Kuratoren, das Recherche, Objektauswahl, Konzept, Ausstellungs- und Katalogtexte sowie die inhaltliche Umsetzung verantwortete. Die Kuratoren stellten sich drei Leitfragen: Wie konnte sich das zuvor liberale, republikanisch positionierte und gegenüber der Avantgarde aufgeschlossene Frankfurt so rasch dem Nationalsozialismus öffnen und seine Prinzipien in der Stadt umsetzen? Wie funktionierte das „Mitmachen“ und wer profitierte davon? Welche Spezifika wies der Nationalsozialismus in Frankfurt auf?
Die Kuratoren gliederten die Ausstellung in 19 urbane Orte, von denen Jutta Zwilling „Rathaus“, „Polizei“ und „Gemeinde“ allein sowie „Zuhause“ und „Bahnhof“ in Zusammenarbeit mit Jenny Jung erarbeitete. Außerdem stellten die Kuratoren mehr als 40 Biografien von Widerständlern, NS-Verfolgten, NS-Tätern und Mitläufern zusammen. Insgesamt präsentierte die Ausstellung über 600 Exponate von mehr als 50 in- und ausländischen Leihgebern sowie aus der Sammlung des Museums. Ein von den Wissenschaftlern konzipierter und eingesprochener Audioguide ergänzte die Schau.
Konzept, Recherche und Erstellung der Texte für die digitale Topografie „Frankfurt und der NS“, die knapp 2.500 Orte mit Bezügen zur NS-Zeit vorstellt, lagen allein bei Jutta Zwilling von zeitsprung. Erstmals sind hier 1.250 - meist Juden - geraubte Orte im zeitgenössischen sowie im aktuellen Stadtplan, in Luftbildern von 1945 und heute verortet. Außerdem lässt sich dort rund 400 Orten der Zwangsarbeit, vielen Orten der Verfolgung, des Widerstands und des Krieges nachspüren. Das Historische Museum übernahm zahlreiche Inhalte der Topografie „Frankfurt und der NS“ in seine „Frankfurt History App“, die hier https://frankfurt-und-der-ns.de/de/frankfurt-history-app zu finden ist. Viele Daten sind auch auf der Gedächtnisplattform „Frankfurt und der Nationalsozialismus“ recherchierbar. Der „Geschichtsort Adlerwerke“ macht darüber hinaus die Texte zur Zwangsarbeit aus der digitalen Topografie „Frankfurt und der NS“ an einem Medientisch dauerhaft zugänglich.
Über Ihre Arbeit an der Ausstellung berichtete Jutta Zwilling 2021 bei hr2-kultur in der Sendung „Doppelkopf“ als Gast von Thomas Paul.
Die Ausstellung gehört zu den fünf für den Preis „Ausgezeichnet Ausgestellt“ nominierten Projekten im Jahr 2022 der Dr. Marschner Stiftung.
Weitere mit dem Historischen Museum Frankfurt realisierte Projekte finden Sie hier:
Eine Stadt macht mit. Frankfurt und der NS (Publikation)
© zeitsprung, Foto: Jutta Zwilling
„Eine Gesamtdarstellung der Frankfurter Stadtgeschichte im Dritten Reich für ein breites Publikum ist jedoch gerade wegen der beinahe unübersehbaren Forschungsergebnisse überfällig. Anders als es der salopp anklagende Titel der Schau nahelegen könnte, hat das Kuratorenteam ... eine ungemein differenzierte Darstellungsweise gewählt, die sich in der sehr aufwendigen Ausstellungsarchitektur spiegelt. Auf inszsenatorische Effekte wird verzichtet und auch auf drastische Fotografien und Filmaufnahmen ... Stattdessen vermittelt sich der Schrecken über ausgewählte Exponate ... Besonders eindrücklich geht das Konzept im Fall des Hauptbahnhofs auf.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung